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title: Mengenlehre
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tags: [mathematik, mengenlehre, menge, definition]
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# Mengenlehre
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## Themen
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In diesem Teil möchte ich über folgende Themen sprechen:
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1. [Elemente der Logik](logik)
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2. [Mengenbildung und Mengenalgebra](mengen)
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3. [Relationen und Abbildungen](relationen)
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1. [Kartesisches Produkt](relationen/abbildungen)
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2. [Abbildungen](relationen/abbildungen)
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3. [Äquivalenzrelationen](relationen/aequivalenzrelationen)
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4. [Ordnungsrelationen](relationen/ordnungsrelationen)
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4. [Verallgemeinerte mengentheoretische Relationen](verallgemeinerte_relationen)
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5. [Endlichkeit und Kardinalzahlen](endlichkeit)
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## Über die Mengenlehre
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Die Logik und die Mengenlehre sind eng miteinander verknüpft und bilden die allgemeinen Grundlagen der Mathematik.
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Sie wurde von [Georg Cantor](https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Cantor) im 19. Jahrh. begründet.
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Cantor definierte dabei, was man unter einer *Menge* versteht und untersuchte diese Strukturen dann, u.a. die *Mächtigkeit* von Mengen.
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Der Begriff der *Unendlichkeit* wurde dabei von ihm in besonderem Maße geprägt.
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[David Hilbert](https://de.wikipedia.org/wiki/David_Hilbert), einer der bedeutendsten Mathematiker der Neuzeit, sagte einst:
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> Aus dem Paradies, das Cantor uns geschaffen, soll uns niemand vertreiben können.
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>
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> — David Hilbert
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Allerdings führte das Cantor'sche Modell der Mengenlehre, auch *naive Mengenlehre* genannt, auch zu *Antinomien* (Widersprüchen).
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[Bertrand Russell](https://de.wikipedia.org/wiki/Bertrand_Russell) entdeckte diese Widersprüche und machte sie publik.
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Die heutige Mathematik beruht auf einer axiomatisierten Mengenlehre und wird auch *Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre mit Auswahlaxiom* genannt.
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Doch ist die naive Mengenlehre ein Teil der ZFC-Mengenlehre (**Z**ermelo, **F**raenkel, Axiom of **C**hoice) und daher nach wie vor ein einfacher und guter Zugang.
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## Naive Mengenlehre nach Cantor
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:::note Menge
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Unter einer *Menge* verstehen wir jede Zusammenfassung $M$ von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten $m$
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unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen.
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Mengen werden dabei mit den *Mengenklammern* $\{$ und $\}$ aufgeschrieben.
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Außerdem wird das Symbol $\in$ dafür verwendet um zu beschreiben, dass ein *Element* $m$ zu einer Menge $M$ gehört: $m \in M$.
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Dagegen wird $\notin$ dafür verwendet, um zu beschreiben, dass ein Element $n$ nicht zur Menge $M$ gehört: $n \notin M$.
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### Beispiele für Mengen
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#### Ziffern 0 bis 5
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Die Menge der Ziffern *0* bis *5*:
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$$
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Z = \{ 0, 1, 2, 3, 4, 5 \}
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$$
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Dabei gilt z.B. $1 \in Z$ und $4 \in Z$, aber nicht $8 \in Z$, also $8 \notin Z$.
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#### Ballarten
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Folgendes könnte eine Menge von verschiedenen, aber nicht allen Ballarten sein:
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$$
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B = \{ \text{Fußball}, \text{Tennisball}, \text{Baseball} \}
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$$
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Es gilt z.B. $\text{Fußball} \in B$ und $\text{Basketball} \notin B$.
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### Antinomien
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Diese *naive* Auffassung von Menge birgt allerdings Widersprüche, auch *Antinomien* genannt.
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#### Russell'sche Menge
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:::note Russell'schen Menge
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Menge aller Mengen, die sich nicht selbst als Element enthalten.
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:::
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Sei die (russell'sche) Menge $X$ dadurch definiert, dass für alle Mengen $A$ gilt:
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$$$
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A \in X \text{ genau dann, wenn } A \notin A
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$$$
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:::danger Aber gilt nun $X \in X$?
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Für $A := X$ erhält man den Widerspruch
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$$
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X \in X \text{ genau dann, wenn } X \notin X
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$$
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:::
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Das funktioniert eben nicht: Wenn die Menge $X$ in $X$ selbst als Element liegt, dann darf sie aber nicht in $X$ liegen,
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da wir die Menge $X$ ja gerade so definiert haben, dass sie nur die Mengen enthält, die sich nicht selbst enthalten.
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Andersherum heißt es, dass wenn $X$ nicht in $X$ ist, dann müsste sie in $X$ liegen wegen der Definition von $X$.
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#### Barbier von Sevilla
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Ein anderes Beispiel ist die Anekdote vom *Barbier von Sevilla*, die ebenfalls von Russell stammt.
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:::note Barbier von Sevilla
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Der Barbier $B$ ist derjenige Mann von Sevilla, der genau die Männer $M$ von Sevilla rasiert, die sich nicht selbst rasieren.
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:::
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Wir sagen nun, dass der Barbier $B$ sei.
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Der Barbier ist aber an sich keine Menge.
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Die Anekdote kann man auch so formulieren, dass wir wieder nur "richtige" Mengen haben.
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Für jetzt bezeichnen wir aber einfach die symbolische Schreibweise $M \in B$ als "*$M$ wird vom Barbier $B$ rasiert*".
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Damit erhalten wir folgende Beziehung:
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$$$
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M \in B \text{ genau dann, wenn } M \notin M
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$$$
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:::danger Rasiert der Barbier sich selbst?
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Für $M := B$ erhält man den Widerspruch
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$$
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B \in B \text{ genau dann, wenn } B \notin B
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$$
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:::
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Also wenn der Barbier sich selbst rasiert, dann dürfte er sich ja nicht selbst rasieren, da er ja nur die rasiert,
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die sich nicht selbst rasieren.
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Aber wenn der Barbier sich nicht selbst rasiert, dann müsste er sich ja entsprechend der Definition selbst rasieren.
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Das funktioniert auch also nicht.
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Cantor hat mit der naiven Mengenlehre einen großen Baustein der Mathematik geschaffen, auf dem die ganze Mathematik aufbaut.
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Er hat außerdem den Begriffen Endlichkeit und Unendlichkeit Leben eingehaucht.
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Doch hat sein Modell Schwächen, sodass man ein wenig daran arbeiten musste.
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Viele weitere Dinge der Mengenlehre werden in den nächsten Kapiteln behandelt.
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Bevor wir aber mit Mengen an sich weiter machen, folgt erstmal eine kurze Einführung in die Logik auf der die weitere Mengenlehre aufbaut.
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Außerdem bildet die Logik das Fundament der mathematischen Beweise, die uns garantieren, dass Erkenntnisse eine allgemeine Gültigkeit haben. |